Die Fütterung ist ein wesentlicher Aspekt der Rinderhaltung, da sie den entscheidenden Einflussfaktor auf das Wachstum der Rinder darstellt. Neben dieser offensichtlichen ökonomischen Komponente hat die Fütterung aber auch einen wesentlichen Einfluss auf den ökologischen und sozialen Fußabdruck der Rinderhaltung. Auf dem Waldbachhof ist es unser Ziel Rinderhaltung ganzheitlich zu denken und zu betreiben. In unserem ersten Blogbeitrag möchten wir daher darauf eingehen, was wir unter Grasfütterung verstehen und warum Grasfütterung ein essentieller Bestandteil unserer Betriebsphilosophie ist.
Zunächst einmal ist „grasgefüttert“ (engl. "grass-fed") im Gegensatz zu beispielsweise „bio“ in Bezug auf Rindfleisch kein klar definierter oder gar normierter Begriff. Dementsprechend wird der Begriff ziemlich heterogen verwendet und es gibt für Verbraucher kein Label anhand dessen sie erkennen können, ob es sich um Fleisch von grasgefütterten Rindern handelt. Daher erläutern wir hier zunächst, was wir unter "grasgefüttert" verstehen: Für uns bedeutet "grasgefüttert“, dass unsere Rinder während ihres gesamten Lebens ausschließlich Gräser, Kräuter und Leguminosen von unseren Weiden und Wiesen aufnehmen. Im Sommerhalbjahr tun sie dies direkt auf der Weide, im Winterhalbjahr in Form von Heu und Silage. Darüber hinaus erhalten unsere Rinder lediglich Zugang zu Mineralfutter, das sie in geringen Mengen zu sich nehmen, um einen ausgewogenen Mineralstoffhaushalt sicher zu stellen. Entscheidend ist: Getreide oder proteinreiche Futtermittel wie Soja, die aufgrund ihrer hohen Energiedichte auch als „Kraftfutter“ bezeichnet werden und oftmals zugefüttert werden, um schnelleres Wachstum bzw. höhere Leistung zu erzielen, verfüttern wir nicht an unsere Rinder. Dabei ist Kraftfutter sowohl in der konventionellen als auch in der biologischen Tierhaltung weit verbreitet, die Bioland-Richtlinien sehen zum Beispiel einen Anteil von mindestens 60% der „Trockenmasse in der Tagesration“ aus Rau- bzw. Grasfutter vor. Umgekehrt sind also bis zu 40% andere Futterbestandteile erlaubt. Auch andere Anbieter, die mit "Grasfütterung" werben, erlauben zu einem gewissen Prozentsatz die Verfütterung von Kraftfutter. Konsequente, 100%ige Grasfütterung wie wir sie bei uns betreiben ist also die absolute Ausnahme und definitiv ein zusätzliches Qualitätsmerkmal unseres Rindfleischs.
Rinder sind auf Gräser und Kräuter spezialisiert
Warum aber verzichten wir auf dem Waldbachhof dann auf Kraftfutter? Das hat hauptsächlich mit der Ernährungsphysiologie der Kuh zu tun. Dank ihres vierteiligen Magen sind Wiederkäuer wie das Rind nämlich im Gegensatz zu uns Menschen in der Lage, Gras und anderes Grünfutter energetisch zu verwerten und dieses damit auf Umwegen für die menschliche Ernährung verfügbar zu machen. Dadurch ermöglichen sie es erst auch Flächen, auf denen bspw. infolge von Hanglage kein (wirtschaftlicher) Ackerbau möglich ist, landwirtschaftlich zu nutzen. Dieses komplexe Verdauungssystem, an dem eine Vielzahl spezialisierter Mikroorganismen im Pansen der Kuh beteiligt ist, hat sich über viele Jahrtausende aus der Symbiose von offenen Graslandschaften und Wiederkäuern entwickelt. Gräser und Kräuter entsprechen damit einer artgerechten Ernährung der Rinder. Erst der Mensch kam im Streben nach Produktivitätssteigerung auf die Idee das Wachstum der Rinder durch energiereiche Kraftfuttergaben zu beschleunigen. Um aber die gewünschten Effekte zu erzielen, müssen hohe Mengen an Kraftfutter verfüttert werden, da Rinder energiereiches Futter nur vergleichsweise ineffizient verwerten können. Dies trägt wesentlich zur schlechten Klimabilanz von Rindfleisch aus konventioneller Aufzucht bei, da zur Herstellung des Kraftfutters viele Ressourcen benötigt werden und dieses oftmals über weite Strecken (im Fall von Soja in der Regel sogar aus Südamerika) transportiert wird.
Tierfütterung hat eine ethische Komponente
Gleichzeitig werden die Rinder bei einer Fütterung von Kraftfutter zum Nahrungskonkurrenten des Menschen, da dieser das als Kraftfutter verfütterte Getreide bzw. die proteinreichen Lebensmittel wie Soja oder Erbsen viel effizienter verwerten könnte, wenn sie direkt auf seinem Teller landen und nicht den Umweg durch den Pansen der Kuh nehmen. Angesichts des nach wie vor weit verbreiteten Hungers insbesondere in den ärmeren Regionen unserer Welt halten wir es daher unter ethischen Gesichtspunkten nicht für angemessen, Getreide und andere Lebensmittel, die der Mensch direkt aufnehmen und sehr effizient verdauen kann, als Rinderfutter zu verschwenden.
Fleisch von grasgefütterten Rindern ist gesünder
Hinzu kommt, dass Fleisch von durchgängig grasgefütterten Rindern u.a. durch einen höheren Anteil an wertvollen Omega-3-Fettsäuren gesünder ist als Fleisch von Rindern, die mit Kraftfutter gemästet wurden. Und wir sind davon überzeugt, dass man den Unterschied auch schmeckt, wenn Rinder mit Gras und Kräutern aus ökologischer Erzeugung gefüttert werden!
Uns ist bewusst, dass bei einer konsequenten Grasfütterung deutlich weniger Rindfleisch erzeugt werden kann und der Konsum entsprechend zurückgehen muss. Bestimmte Produktionsformen, z. B. die intensive Mast von Rindern in sog. "Feed Lots", wären dadurch komplett obsolet. Wenn wir in der westlichen Welt bereit sind unseren Fleischkonsum deutlich zu reduzieren und gleichzeitig auf den dafür geeigneten Flächen direkt Nahrungsmittel für Menschen anbauen, können wir auch eine wachsende Weltbevölkerung ökologisch und nachhaltig ernähren. Dabei ist es uns wichtig zu betonen, dass es sich bei dieser Reduktion nicht unbedingt um einen "Verzicht" handeln muss, denn in diesem Fall gilt einmal mehr der Wahlspruch „Weniger ist mehr“ bzw. „Qualität statt Quantität“. Eine überwiegend pflanzliche Ernährung kombiniert mit einem bewussten Konsum von hochwertigem, nach Bio-Standards erzeugtem Fleisch von grasgefütterten Rindern ist auch unter gesundheitlichen Aspekten ein Gewinn.
Es handelt sich hierbei um eine komplexe, vielschichtige Thematik. Als weiterführende Lektüre empfehlen wir daher zum Beispiel die Bücher „Es ist genug da. Für alle.“ von Dr. Felix Prinz zu Löwenstein, in dem neben vielen weiteren interessanten Themen rund um den ökologischen Landbau auch dieses Thema aufgegriffen wird, sowie „Die Kuh ist kein Klima-Killer!“ von Dr. Anita Idel, das, wie der Titel schon sagt, gründlich mit der weitverbreiteten pauschalen Abstempelung des Rindes als Klima- und Umweltsünder aufräumt. Bei Fragen rund um dieses Thema, könnt ihr euch aber gerne auch direkt an uns wenden.
Beste Grüße vom Waldbachhof,
Corinna und Christian
Comments