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Unser Weg zur Hofschlachtung - Teil 4




Vorneweg: Der nachfolgende Bericht ist relativ trocken, denn es geht um die Änderung einer EU-Verordnung und die daraus resultierenden (bürokratischen) Anforderungen. Nichtsdestotrotz gehört auch das zu unserem Weg dazu und wir wünschen euch, ähnlich wie uns, gutes Durchhaltevermögen. Denn: Meistens lohnt es sich! :)


Der September 2021 war für unsere Direktvermarktung ein ausgesprochen wichtiger Monat: Zum einen wurden hier die ersten beiden Rinder für unsere neu ins Leben gerufene Direktvermarktung geschlachtet und zum anderen wurde der EU-Verordnung 853/2004, in der es um Hygienevorschriften für Lebensmittel tierischen Ursprungs geht, das Kapitel VIa im Anhang 3 Abschnitt 1 hinzugefügt. Letzteres hört sich zwar eher langweilig an, aber durch diese unscheinbare Ergänzung wurde erstmals die "Schlachtung auf dem Herkunftsbetrieb" (Hofschlachtung) EU-weit einheitlich und eindeutig geregelt. Explizit wird in diesem Kapitel die Schlachtung von bis zu 3 Rindern, 3 Pferden/Eseln oder 6 Schweinen pro Schlachtvorgang auf dem Herkunftsbetrieb erlaubt und entsprechende Anträge waren fortan durch das zuständige Veterinäramt ohne Prüfvorbehalt zu genehmigen. Ein echter Quantensprung auf unserem Weg zur Hofschlachtung! War man wenige Monate vorher noch auf die Kooperationsbereitschaft und das Gutdünken der Genehmigungsbehörden angewiesen, gab es von nun an eine eindeutige Rechtsgrundlage, vor der sich niemand mehr verstecken konnte. Hinzu kam, dass die bisherigen für uns kaum zu erfüllenden Auflagen in einigen Bereichen entscheidend gelockert wurden. Dennoch enthält das neue Kapitel eine ganze Reihe von Eckpunkten, die für die Umsetzung der Hofschlachtung erfüllt sein müssen:


  • Es muss eine zugelassene "mobile Einheit" (=Anhänger o.ä.) für den Transport des Schlachtkörpers vom Herkunftsbetrieb (Bauernhof) zum Schlachtbetrieb (Metzgerei) vorhanden sein.

  • Das Entbluten im Freien ist möglich, es muss also nicht mehr in einem geschlossenen Raum entblutet werden, was den bisherigen Prozess kompliziert und teuer gemacht hatte.

  • Der Transport vom Landwirt zum Metzger darf maximal 2 Stunden dauern, was auch für uns trotz unseres abgelegenen Standorts ohne Probleme zu schaffen ist. Bei den bisherigen 45 Minuten wäre es schon knapp geworden.

  • Der amtliche Tierarzt muss bei jeder Schlachtung anwesend sein. Dadurch wird auch für die Endkunden ein Höchstmaß an Kontrolle sichergestellt.

  • Die an der Schlachtung beteiligten Personen müssen über einen entsprechenden Sachkundenachweis verfügen.

  • Der Weideschuss ist weiterhin nur bei ganzjähriger Freilandhaltung erlaubt, als alternatives Betäubungsverfahren steht der Bolzenschuss zur Verfügung, für den aber eine geeignete Fixiervorrichtung vorhanden sein muss.

  • Bürokratie: Neben dem Antrag auf Schlachtung im Herkunftsbetrieb muss auch für die mobile Einheit ein Antrag auf Eignungsprüfung gestellt werden. Es muss eine schriftliche Vereinbarung zwischen Landwirt und Metzger existieren und wir müssen eine Standardarbeitsanweisung für die Hofschlachtung erstellen. Glücklicherweise gab es zumindest für die Anträge und Vereinbarungen bereits Vorlagen, die man verwenden konnte.

Das waren zwar immer noch eine Menge Anforderungen, aber die Realisierung unserer Vision war damit zum Greifen nah. Voller Enthusiasmus meldete sich Christian daraufhin für den nächsten verfügbaren Kurs zur Erlangung der Sachkunde am Schlachthof Aschaffenburg an. Damit war es aber nicht getan, denn wir benötigten auch einen zugelassenen Anhänger sowie eine geeignete Fixiereinrichtung. Bezüglich der mobilen Einheit wurden wir auf eine Initiative der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald aufmerksam, die interessierte Rinderhalter zu einer Informationsveranstaltung bzgl. der Hofschlachtung eingeladen hatte. Auch wir nahmen an dieser Veranstaltung teil und es zeigte sich reges Interesse, denn der große Saal am Landratsamt in Buchen war prall gefüllt. An diesem Abend informierten die Vertreter der Bio-Musterregion gemeinsam mit dem zuständigen Veterinäramt über die rechtlichen Rahmenbedingungen und Umsetzungsmöglichkeiten der Hofschlachtung und im Nachgang wurden Fragebögen an die teilnehmenden Betriebe versendet, um in Erfahrung zu bringen, ob und in welchem Umfang von deren Seite ernsthaftes Interesse bestand. Zur zweiten Versammlung wurden dann nur noch die Betriebe mit positiver Rückmeldung eingeladen und hier hatte sich das Feld schon deutlich gelichtet. Am Ende blieben nur noch 7 Rinderhalter übrig, die gemeinsam die kLasSE Fleisch GbR mit dem Zweck der Anschaffung und des Betriebs eines Anhängers für die Hofschlachtung gründeten. Dabei steht "kLasSE" für "kein Lebendtiertransport, aus stressfreier Schlachtung, Extraqualität", eine Abkürzung, die Ruth Weniger, Regionalmanagerin der Bio-Musterregion Neckar-Odenwald, vorgeschlagen hatte.


Ende 2022 war es dann soweit, der Anhänger wurde anlässlich einer kleinen Feierstunde, bei der auch Peter Hauk als Minister für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz und Lea Trampenau als Entwicklerin des Anhängers und Pionierin auf dem Gebiet der Hofschlachtung anwesend waren, auf dem Hof von GbR-Mitglied Torsten Kaiser in Balsbach an die kLasSE Fleisch GbR übergeben. Im Frühjahr 2023 haben wir dann auch die Fixiereinrichtung, die von Uria (kennt ihr aus dem 2. Teil unseres Weges zur Hofschlachtung) extra für die Betäubung mit dem Bolzenschussapparat entwickelt wurde, installiert. Nach einem Vorort-Termin zur Abnahme von Anhänger und Fixiereinrichtung durch Vertreter des Veterinäramts Miltenberg und der darauffolgenden Genehmigung konnten wir am 13. Mai 2023 die erste Schlachtung auf dem Waldbachhof durchführen.


Für uns war dieser Tag ein Meilenstein, denn unser "Weg zur Hofschlachtung" war damit abgeschlossen. Gleichzeitig war dieser Tag aber auch der Beginn eines neuen Kapitels auf dem Waldbachhof, denn fortan waren wir selbst für das Betäuben und Entbluten unserer Rinder als Kernbestandteile des Schlachtprozesses verantwortlich.


*) Auf dem Bild oben seht ihr uns bei der Übergabe des Transportanhängers an die kLasSE Fleisch GbR im Dezember 2022.



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